Im ehrwürdigen Rathaus Weinfelden versammelten sich an Allerheiligen die Offiziere des Kantons Thurgau zur ordentlichen Generalversammlung. Als Gastreferent konnte Divisionär Pablo Merz, Chef der Schweizer Luftwaffe, verpflichtet werden. Die aktuellen Konflikte prägten den Abend.

Die Kantonale Offiziersgesellschaft (KOGTG) ist 197 Jahre alt. Schon Napoléon III. sei Mitglied dieser Sektion der Schweizerischen Offiziersgesellschaft gewesen, erörterte Andreas Zuber, amtierender Grossratspräsident und höchster Thurgauer in seiner Grussbotschaft. Er betonte die Wichtigkeit der außerdienstlichen Tätigkeit der Offiziere und dankte für das Engagement. Mit Blick in die Reihen der 40 Ehrengäste forderte er, dass die Parlamente von Bund und Kanton die nötigen Mittel für eine Vollausrüstung beschliessen. Die Wahrung der Sicherheit des Landes sei angesichts der laufenden Konflikte nicht nur eine Frage des Budgets, sondern die gesellschaftliche Kernfrage.

Präsident Schweizerische Offiziersgesellschaft
Oberst Dominik Knill forderte in seinen Gedanken, dass die Schweizerische Neutralität neu gedacht werden solle. Wie sonst könne Munition für den Gepard-Flugabwehr-Panzer als neutralitätswidrig, die Lieferung von Drohnen für die Schweizer Armee durch die israelische Rüstungssparte aber zulässig erscheinen. Man bringe sich so in einen völkerrechtlichen Zwang, der nicht nur innenpolitisch schwierig zu erklären sei.
Das Triple-A des Chefs der Armee, Ausrüstung, Ausbildung und Alimentierung stützt die Schweizerische Offiziersgesellschaft nicht nur, sondern ergänze dieses mit dem Triple-B: Budget, Beschaffung, Bestände. Sicherheitspolitik sei nicht Selbstzweck, bewaffnete Neutralität brauche eine starke Armee.
Die just an diesem Tag verbreitete Meldung des Überbestandes der Armee, welcher durch eine Gesetzesänderung rückwirkend legitimiert werden müsse, mache ihn nachdenklich. Wie erklärt man angesichts solcher Botschaften dem Schweizer Volk, dass es per Saldo vornehmlich um Personen handelt, die ihre Dienstpflicht erfüllt haben, altershalber noch eingeteilt bleiben aber nicht mehr aufgeboten werden können? Dass die Bataillone und Kompanien weiterhin mit gravierenden Personalmängeln zu kämpfen und ihre Ausbildungsdienste nur unter Einschränkungen durchführen können, gehe dabei unter.

Vereinsgeschäfte
Die ordentlichen Geschäfte wurden unter dem Präsidenten Oberst Valentin Hasler souverän erledigt. Von den 485 Mitgliedern der KOGTG waren rund 80 anwesend. Mit grossem Applaus wurde der langjährige Vizepräsident Hauptmann Hermann Lei in den wohlverdienten Vorstands-Ruhestand verabschiedet. An seiner Stelle wurde Oberstlt Andreas Wanner gewählt. Jahresbericht und Rechnung wurden genehmigt. Die Kassierin Major Andrea Lee rechtfertigte das kleine Budgetdefizit mit den Rückstellungen für das 200 Jahr-Jubiläum in 3 Jahren. Traditionsgemäss wurde der geschäftliche Teil mit dem Singen des Thurgauerliedes abgeschlossen.

Chef Luftwaffe
Divisionär Peter „Pablo“ Merz erörterte ins seinem Gastreferat seine Sicht der Weltlage. Zu recht blicke die Öffentlichkeit mit Schrecken auf die Konflikte in der Ukraine und jüngst auch in Gaza. Zahlreichen Staaten Afrikas erleiden aktuell eine Phase grossen politischen Instabilität. Die dort gezeigten geopolitischen Rupturen zeigen deutlich das Wesen von modernen asymetrischen Konflikten. Mittelfristig verschiebe sich der Konfliktfokus wohl aber auf den ostasiatischen Raum. Namentlich die wirtschaftliche und militärische Grossmacht der Volksrepublik China werde ihr Hegemonialstreben in Zukunft nicht reduzieren. Taiwan sei akut bedroht. Was sich im Falle eines offenen Krieges für die Weltwirtschaft ergeben könnte, lässt sich heute schon genau abschätzen.

Ukraine-Krieg
Auf dem europäischen Schlachtfeld erstaunt Merz, wie wenig entscheidend die beiden Luftwaffen für den Konfliktverlauf bislang in Erscheinung treten. Russland setzt in der dritten Dimension keine entscheidenden Mittel ein. Der momentan festgefahrene Frontverlauf wird dominiert von Artillerie, Panzern und Bodentruppen. Der auf einem Schlachtfeld in Qualität und Quantität neue Droheneinsatz setze Akzente, sowohl auf Sensor- als auch auf Effektorebene, die auch für die Entwicklung der Schweizer Armee Konsequenzen haben werden.

Gaza-Konflikt
Demgegenüber setzten die Verteidigungskräfte Israels ihre Luftwaffe mit Präzisionsschlägen dominant ein. Die Kooperation mit den Bodentruppen im Sensor-Wirkungsverbund entspricht der Doktrin, die sich für die Schweizer Armee mit der Einführung des F-35 ebenfalls einstellen wird. Der Militärische Nachrichtendienst analysiere die beiden Konfliktfelder aktuell sehr intensiv.

Konsequenzen für die Armee
Mit dem neuen Flugzeug sei ein erster Schritt gemacht. Merz betonte aber, dass weitere grosse Investitionen auf die Schweizer Armee zukommen werden. Der Ersatz der Artilleriesysteme stehe an, unmittelbar folge die bodengestützte Luftverteidigung im unteren und mittleren Höhenbereich, danach müssten die geschützten Bodenfahrzeuge der Mechanisierten Truppen ersetzt werden. Bei der Luftwaffe stehe mittelfristig auch der Ersatz der Transporthelikopter durch neue und besser geschützte Modelle an.
In der politischen Diskussion werde immer wieder gefordert, man müsse zuerst ein Einsatzkonzept definieren und dann über Beschaffungen entscheiden. „Wenn wir etwas können, dann sind es Konzepte“ meinte Merz launig. Mit den vier aktuellen Grundlagenpapieren sei die Schweizer Armee konzeptionell bestens aufgestellt. Dies müsse nun endlich jedem klar werden.

Rahmen
Begleitet wurde der Anlass vom Spiel der Kantonspolizei Thurgau unter der Leitung von Sarah Bächi. Nach dem offiziellen Teil traf man sich im nahen Traubensaal zum freundschaftlichen Austausch und Netzwerken.

 

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