Sollte noch jemand Zweifel an der Notwendigkeit der Gripen-Kampfflugzeuge gehabt haben, dann waren diese spätestens nach dem Besuch des Lilienberg-Anlasses vom 24. März ausgeräumt. Die Podiumsveranstaltung im Aktionsfeld Sicherheit & Armee unter der Leitung von Andreas Widmer wurde von der Stiftung Lilienberg in Zusammenarbeit mit dem «Thurgauer Komitee JA zum Gripen» organisiert und beschäftigte sich unter anderem mit der Frage «Worüber stimmen wir am 18. Mai ab?»
Beitrag von Markus Gisel
Oberst i Gst Peter Merz, Kdt Flugplatzkommando Meiringen und designierter Chef Einführung Gripen, schilderte anschaulich die Entwicklung im Luftraum, seit 1903, als das erste Flugzeug mit Motor geflogen war, bis heute, wo sich täglich rund 100‘000 Zivilflugzeuge in der Luft befinden. Um diesen Verkehr zu koordinieren brauche es die zivile Flugsicherung, aber auch die Luftwaffe, um nötigenfalls zu intervenieren. Jede Nation sei selber für ihren Luftraum verantwortlich, so auch die Schweiz. Im Krisen- oder Konfliktfall müsste die Luftwaffe aber auch die Disziplin «Luftverteidigung»beherrschen.Da gehe es um sein oder nicht sein! «Deshalb trainieren wir nach wie vor die Luftverteidigung», meinte der erfahrene Berufsmilitärpilot.
Versicherung der Nation
Peter Merz streifte auch kurz die Problematik des Luftpolizeidienstes «rund um die Uhr»und meinte, dass daran gearbeitet würde. Es brauche aber seine Zeit um das zusätzlich benötigte Personal auszubilden. 2016 sei die Luftwaffe im Zweischicht- und 2020 im Dreischichtbetrieb bereit. Zwar würden im Friedensfall die 32 vorhandenen F/A 18 reichen, sagte er weiter, es bleibe aber die Frage: «Wollen wir eine Luftwaffe, die nur den Frieden abdecken kann?» – «Nein! Wir wollen auch die Krise und den Konflikt abdecken können! Die Luftwaffe ist die Versicherung der Nation – deshalb braucht es den Gripen!»
De quoi s’agit-il?
Er habe gelernt, sich gleich bei Erhalt eines Auftrages zu fragen, was denn das Problem sei, betonte der zweite Referent, Oberst Hans-Georg Schlatter, Vertreter der Schweizerischen Offiziersgesellschaft und Vize-Präsident der AVIA Schweiz. Beim Gripen-Geschäft gehe es um Sicherheit. Sicherheit sei auch ein Standortvorteil für die Schweiz. Im Laufe der Jahre hätten sich aber beim Luftraumschutz Defizite eingestellt. Um Geld zu sparen seien Mittel reduziert und Infrastrukturen abgeschafft worden. Die Beschaffung des Gripen erachtet Schlatter als Möglichkeit, einige dieser Defizite zu kompensieren. Die Frage, ob denn 54 alte Tiger durch 22 Gripen E ersetzt werden könnten beantwortete Schlatter mit «Ja».Dies sei möglich, weil der Gripen E einen erheblich höheren Kampfwert als ein F-5 habe. Zudem sei dieser ein echtes Mehrzweckkampfflugzeug, das in der Lage sei, der Luftwaffe verloren gegangene Kompetenzen wieder abzudecken. Alternativen zum Gripen gebe es heute keine, so Schlatter. Auf die Frage, ob sich die Schweiz überhaupt Kampfflugzeuge leisten könne, meinte er «Ja».Es sei wichtig zu wissen, dass die Investition im Rüstungsprogramm enthalten sei.
Worüber stimmen wir ab?
«Am 18. Mai stimmen wir über das Gripen-Fondsgesetz ab, nicht über das Flugzeug selbst», erklärte Schlatter weiter. In diesem Gesetz werde festgehalten, dass der Fonds während zehn Jahren mit jährlichen Einlagen von 300 Millionen Franken (aus dem ordentlichen und bereits genehmigten Armee-Budget) alimentiert wird. Das seien gerade mal rund 40 Franken pro Einwohner und Jahr. Der Referent hielt fest, dass es keine Alternative zur Luftwaffe gebe. Der Aufwuchs würde viel Zeit in Anspruch nehmen. Alle Konflikte, mit denen wir uns derzeit beschäftigen, seien aber nicht voraussehbar gewesen und kurzfristig entstanden. Es gelte die Handlungsfreiheit zu behalten – deshalb gelte es am 18. Mai zum Gripen-Fonds-Gesetz Ja zu sagen.
Die Uhr der Vorwarnung tickt!
Dr. Franz Betschon, Oberst i Gst, Maschinen-Ingenieur ETH, Absolvent der Harvard Business School und langjähriger Industrie-Manager, war von 1985 bis 2005 Mitglied des International Institute for Strategic Studies in London. In seinem Referat analysierte er die geostrategische Lage in welcher wir uns heute befinden und folgerte: «Ein Kampf fremder Mächte auf dem europäischen, schwach gewappneten Territorium ist nicht ausgeschlossen.»Er zitierte unter anderem den sogenannten Fire Power Index. Dieser gibt Auskunft über Einsatz- und Feuerkraft von über 100 Armeen der Welt. Die Schweiz werde auf einem sehr tiefen Niveau bewertet. Eindringlich hielt er fest: «Das europäische Umfeld, das heisst NATO minus USA, verfügt immer noch über 5000 Kampfpanzer und über 2000 Kampfflugzeuge. Zwischen 1989 und 2009 sind in diesem Raum 1727 neue Kampfflugzeuge eingeführt worden. Die Uhr der Vorwarnung tickt!» Des Weiteren verwies Betschon auf ein Planungspapier der Amerikaner, das «Full Spectrum Dominance»(Überlegenheit auf allen Ebenen) heisst. Dieses Papier sehe nukleare Erstschläge, auch gegen Nicht-Atomwaffenbesitzer, vor. In den meisten Nachrichtendiensten der Welt würden bereits die roten Warnlampen leuchten. Aus seiner Sicht wäre die gefährlichste Feindmöglichkeit, dass sich Russland überlege, eine strategische Luftlandung in der Schweiz durchzuführen und einen Luftwaffenstützpunkt als Basis in Westeuropa einzurichten.
Wirtschaftliche Aspekte
Im zweiten Teil seines Referats erläuterte Dr. Betschon den wirtschaftlichen Aspekt des anstehenden Geschäftes. Er zeigte auf, dass die von der Firma Saab zugesicherten Kompensationsgeschäfte über 2,5 Milliarden Franken etwa 10‘000 Mannjahren Beschäftigung entsprechen. Dies bedeute, dass ein Rückfluss an den Staat in Form von Steuersubstrat, AHV-Beiträgen, usw. von zirka 300 Millionen Franken zu erwarten wäre.
Kein Papierflieger
Als letzter Experte kam Mike Helmy zu Wort. Helmy, Schweizer, hat neun Jahre in Schweden gewohnt und in Basel Ökonomie studiert und ist seit einiger Zeit für die Firma Saab tätig. Saab gebe der Schweizerischen Eidgenossenschaft zwei Versprechen, postulierte er. Erstens, der Gripen E werde termingerecht, im Budget und wie spezifiziert geliefert. Und zweitens, der Gripen E sei ein High-Tech Kampfjet. Weshalb Saab in der Lage sei seine Versprechen einzuhalten begründete er unter anderem mit der 77-jährigen Geschichte des Flugzeugbauers und der Tatsache, dass die Firma, kurz vor dem zweiten Weltkrieg gegründet, seither 5‘000 Flugzeuge gebaut habe. Schon heute sei der Gripen ein Exporterfolg. Fünf Luftwaffen seien bereits Gripen-Kunden: Schweden, Tschechien, Ungarn, Südafrika und Thailand. Zudem nutze die britische Testpilotenschule, die Empire Test Pilots School den Gripen und kurz vor Weihnachten habe sich Brasilien für 36 Gripen E entschieden.
Immer wieder höre man, der Gripen E sei ein Papierflieger. Dies sei nicht zutreffend. Vielmehr sei er eine Weiterentwicklung aus dem Vorgängermodell Gripen C/D, das seinerzeit von der Schweizerischen Luftwaffe evaluiert wurde. Entgegen anders lautenden Berichten könne der Gripen E über zwei Stunden, wenn nicht sogar zweieinhalb Stunden in der Luft sein. Nebst einem leistungsfähigen Triebwerk (das gleiche, wie in der US-amerikanischen Super Hornet) verfüge das Flugzeug über modernste Sensoren und Radar und nicht zuletzt über moderne, effiziente Waffen. Mike Helmy beendete sein Referat, nicht ohne nochmals die Kosteneffizienz des Gripen E, sowohl in der Beschaffung, als auch im Unterhalt hervorzuheben.
» Der Original-Beitrag wurde am 3. April 2014 auf www.lilienberg.ch publiziert.
Besonderheit Armee «Gripen: der richtige Entscheid für unsere Sicherheit? » vom 24. März 2014, mit Hans Georg Schlatter,Gesellschaft der Offiziere der Luftwaffe (AVIA), Oberst i Gst Peter Merz,Kommandant Flugplatzkommando Meiringen, designierter Chef Einführung Gripen, Dr. Franz Betschon, Langjähriger Industriemanager, ehemaliger USC Logistik der FF Trp, Mike Helmy, Saab AB, Defence and Security; Moderation: Andreas Widmer (Aktionsfeld Sicherheit & Armee); Zusammenfassung: Markus Gisel; Redaktion: Stefan Bachofen.
Bildlegende, von links: Dr. Franz Betschon, Oberst i Gst Peter Merz, Gesprächsleiter Andreas Widmer, Hans Georg Schlatter und Mike Helmy.