CHRISTOF LAMPART, St. Galler Tagblatt AG
«Was bedroht die Schweiz?» Zu diesem Thema sprach der Chef des Nachrichtendienstes des Bundes, Markus Seiler, am Donnerstag an der Generalversammlung der Kantonalen Offiziersgesellschaft Thurgau. Seiler freute sich über das deutliche Ja zum Nachrichtendienst-Gesetz im September. Das Resultat habe ihn überrascht, doch verstehe er dies nicht als Blankocheck. «Wir werden die neuen Kompetenzen zielgerichtet einsetzen.» Dass die Schweizer «Schlapphüte» nun unter Einhaltung hoher Bewilligungshürden Telefonate abhören oder eine Standortbestimmung durchführen dürfen, sei im Zeitalter, in dem Kriminelle und Terroristen über hochgerüstete Technologien verfügten, eine grosse Erleichterung. «Bis jetzt durften wir uns an den internationalen Datenbanken nur per Brief beteiligen. Wenn wir 240 Verdächtigte hatten, die wir in die Datenbank einspeisen wollten, so konnten wir nicht einfach eine E-Mail senden, nein, wir mussten jeden einzelnen Namen per Post schicken.»
77 IS-Reisende in der Schweiz
Die Schweiz stehe zwar heute nicht im Fadenkreuz des Islamischen Staats (IS) oder von Al Qaida, doch eine Garantie für die Zukunft sei dies nicht. Denn je mehr der IS unter Druck gerate, desto häufiger würde es wohl Anschläge in Europa geben, welche den Glaubensbrüdern signalisieren sollen, dass der IS handlungsfähig sei. Man habe von 77 Inländern Kenntnis, die in IS-Gebiete gereist seien. Immerhin könne man sicher sein, dass es nicht wesentlich mehr seien. Als dem Westen eine Liste mit 20 000 IS-Angehörigen in die Hände fiel, waren darunter auch die Namen von sechs Schweizern. «Wir wussten bereits von allen sechs», so Seiler. Im Vergleich zu Schweden und Belgien mit mehreren Hundert oder Frankreich mit über 1000 Jihadisten, stehe man noch gut da.
Als Markus Seiler vom Publikum gefragt wurde, ob er die Sicherheitspolitik eines möglichen US-Präsidenten Donald Trump für «robust» halte, antwortete Seiler: «Die grösste Sorge ist: Wie funktioniert er als Persönlichkeit? Was, wenn es eine Kurzschlusshandlung gibt? Es muss ja nicht gerade die Atombombe sein.» Sollte Hillary Clinton gewählt werden, so müsse man sich auf jemanden einstellen, der die US-Vorstellungen klarer vertrete als Obama: «Obama hat eine rote Linie definiert, aber nicht durchgesetzt. Dies hat dazu geführt, dass jetzt Russland in Syrien sagt, was geht und was nicht.» (art)